Vorbereitungs-Script zum Thema Waldbaden

Wann und wie bist Du zum Waldbaden gekommen?

Der Grundstein wurde vermutlich durch meine Eltern gelegt, die mich in Kindheit und Pubertät jeden Sonntag durch den Wald gequält haben. Das hat zwar für eine lange Abstinenz gesorgt, das was ich damals gelernt habe, zahlt sich aber heute aus.
Der nächste Schritt war in einem Seminar mit meiner Lieblingstrainerin Kathrin Gronau, die mit uns einen Achtsamkeitsspaziergang gemacht hat. Da war die Lunte gelegt, und ich habe mich aktiv mit dem Thema beschäftigt.

Warum genau hast Du Dich für eine Ausbildung als Waldführer entschieden?

Das liegt wohl an meiner Mentalität. Ich bin ein absoluter Verfechter des lebenslangen Lernens und wenn ich mich für ein Thema interessiere, will ich es umfassend verstehen. Und dann nehme ich halt nicht nur an einem Spaziergang teil, sondern suche mir gleich eine Weiterbildung.

So bin ich zur NLP- und zur Hypnose-Ausbildung gekommen. Und wenn ich dann schon eine Ausbildung mache, will ich das Erlernte natürlich auch anwenden und sei es möglicherweise nur für mich. 

Wie erklärst Du Dir, dass Waldbaden seit einigen Jahren so ein großer Trend ist?

Die Natur bzw. der Aufenthalt in der Natur hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Es wird gewandert, gebikt, gejoggt, gewalkt wie wahrscheinlich lange nicht oder noch nie. Der Mensch ist ja auch eigentlich sowieso ein Naturwesen, der Satz „back to nature“ trifft es also ganz genau. Aber warum und gerade jetzt? Verschiedene Gründe; in unserer schnelllebigen Zeit kämpfen wir immer mehr mit Stress, Lärm, Hektik. Genau das Gegenteil bietet uns der Wald. Ruhe, im Idealfall Einsamkeit, Gelassenheit. Außerdem wenden sich immer mehr Menschen von der Schulmedizin ab, die beispielweise bei Stress mit seinen körperlichen Auswirkungen, somatischen Erkrankungen mit Mitteln der Pharmaindustrie antwortet oder einfach mit Krankschreibungen. Alles andere muss man selbst organisieren und bezahlen.

Wenn ich an meinen burnout vor drei Jahren denke, mit somatoformen Störungen, dann war von mir ein großer Einsatz nötig, den ich eigentlich gar nicht leisten konnte in meiner Verfassung, um nach zweimaliger Ablehnung doch noch eine Reha genehmigt zu bekommen. Neben vielen anderen Dingen habe ich dort den Umgang mit Natur gelernt und sei es nur in den Pausen am Fenster zu sitzen und wie ich immer gesagt habe, dumm aus dem Fenster zu schauen. Jeden Tag sah der Kurpark anders aus. Kurz gesagt, wir wenden uns mehr der Natur- oder alternativen Medizin zu, weil wir von der Schulmedizin enttäuscht werden. und eine Möglichkeit dabei ist Waldbaden.

Ich empfinde aber auch einen Nachteil vom Trend. Jeder meint auf den Zug aufspringen zu müssen, jedes Wellnesshotel und jeder Urlaubsort. Das birgt die Gefahr in sich, dass es von Leuten angeboten wird, die keine Ausbildung haben. Das leistet dann den Menschen Vorschub, die sich über Bäume-Umarmen lustig machen.

Was genau unterscheidet Waldbaden von spazierengehen?

Jede Menge und auch wenig. Die meisten Leute sagen ja, Waldbaden brauche ich nicht, ich bin ja oft im Wald. Jeder Aufenthalt im Wald, egal wie, ist gesund und entspannend, weil er zumindest Aufenthalt in der frischen Luft enthält.  Aber das was Waldbaden meint, nämlich das Eintauchen mit allen Sinnen in die Atmosphäre des Waldes macht den Unterschied. Beim Spazierengehen machen wir häufig Strecke von a nach b und nutzen das Beisammensein zum Quatschen. Wobei, und da bin ich wieder beim Trend; ich war auch schon Teilnehmer bei einem sogenannten Waldbaden, da wurde fleißig gequatscht und zwischendrin etwas über Bäume und Natur erklärt.

Also eher ein interessanter Forstspaziergang als Waldbaden. Es geht also darum, den Wald mit allen Sinnen wahrzunehmen und das kann ich nur in Stille. Quatschen kann man in der Pause. Und auf was es nicht ankommt ist Strecke, sondern Zeit. Manchmal reichen mir ein paar hundert Meter, für die ich aber eine Stunde brauche.

Welche Wirkung hat der Wald auf uns Menschen?

Da hol ich mal ein bisschen aus und komme auf die Geschichte des Waldbadens. Warum gibt es das und woher kommt es. Shinrin Yoku, wie es eigentlich heißt, wurde in den 80er Jahren in Japan erfunden, von der obersten Forstbehörde als Waldschutzkampagne. Danach nahmen sich die Mediziner der Sache an und haben die heilsame Wirkung des Waldes erforscht und in wissenschaftlichen Studien belegt. Dr. Qing Li, der führende Waldmediziner in Japan hat es beschrieben mit „Waldbaden ist die Kunst, sich mit all seinen Sinnen mit der Natur zu verbinden“. Dabei baut Waldbaden nachweisbar Stresshormone ab, ist gut für die Herzgesundheit, fördert die Schlafqualität und stärkt das Immunsystem unter anderem durch die Vermehrung von sogenannten Killerzellen. 


Wir sprechen gerne vom heilsamen Trio des Waldes. Der modrige Waldboden enthält das Mycobakterium vacchae, dem heilsame Kräfte zugeschrieben werden. Übrigens, was meinst du wie viele Lebewesen in einer Hand voll Waldboden enthalten sind? Die Sendung mit der Maus hat es mal recherchiert. Ca 1 Milliarde. Zum heilsamen Trio gehören noch die Anionen, negativ geladene Sauerstoff-Ionen, die von den Baumkronen, vom Blätterdach in der Waldluft gehalten werden und bei der Atmung den besseren Abtransport von Schadstoffen aus unserer Lunge fördern. die pflanzlichen Botenstoffe, zum Beispiel Terpene machen das Trio vollständig. Nadelbäume haben hier mehr als Laubbäume. Sie sind gut für unser Atemsystem und witzigerweise sind die meisten Terpene am Baum auf Nasenhöhe. Sie dienen aber eigentlich auch der Kommunikation unter den Bäumen, ein anderes Kapitel.

Warum ist das grundsätzlich aber auch gerade in der aktuellen Coronakrise so wichtig?

Also zum Einen bleibt uns ja wie jetzt im lockdown nur wenig Abwechslung. Viele Freizeitmöglichkeiten sind gestrichen, es bleibt der Wald. Der hat 24 Stunden 7 Tage geöffnet. Zudem schadet Corona der Stimmung, fördert Depressionen etc. da kann die Natur, ein Aufenthalt in der Natur gegensteuern. Wenn ich den Aufenthalt dann bewusst gestalte und die medizinischen Vorteile mitnehme, kann das vor allem in einer solchen Zeit nur gut sein.

Warum lohnt sich Waldbaden auch jetzt in der grauen, dunklen Jahreszeit, wenn scheinbar alles „tot“ ist?

Das ist zum einen ähnlich wie bei der vorherigen Frage. Die frische gute Luft lenkt ab von der grauen dunklen Jahreszeit. Und zum anderen scheint ja nur alles tot zu sein. Jede Jahreszeit hat ihre besonderen Reize im Wald. Und im Herbst, wenn alles anfängt zu modern, zu verrotten, dann habe ich diesen besonderen Duft, der meinen Geruchssinn fördert, dann habe ich diese Farbenpracht, bevor die Blätter abfallen, die meine Augen erfreut. Ich kann, wenn ich nicht quatsche im leisen Wind die Blätter rieseln hören.

Man kann sogar nachts, wenn die Blätter eingerollt sind, Bäume schnarchen hören, wenn das Wasser hinter der Rinde Geräusche macht. oder ich kann das Geräusch genießen, wenn ich über die Berge von gefallenen Blättern laufe. Das spüre ich auch unter den Füssen.

Es macht einen Unterschied, ob ich über staubtrockenen Waldboden oder über Blätterberge oder morastigen Boden laufe. Wenn man dann noch wie ich Barfußschuhe trägt, muss man sich nicht die Füße verkühlen oder dreckig machen für ein tolles Gefühl. Ich kann auch im Herbst die unterschiedlichen Temperaturen der Baumarten spüren. Und wenn ich dann noch Pilze finde, die ich zuhause essen kann, von anderen Früchten des Waldes ganz abgesehen, habe ich alle Sinne angeregt. Also ich liebe den Herbst, wenn möglicherweise die Sonne tief steht oder Nebelschwaden vorüberziehen dann hat das einen ganz besonderen Reiz.

Siehst Du einen Zusammenhang zwischen dem Waldbaden (der Natur) und Spiritualität?

Der Wald hat in der Geschichte der Menschheit immer etwas zutiefst Spirituelles. In Märchen und Mythen wird mit dem Wald gespielt, es werden Metaphern genutzt und der Baum spielt immer eine Rolle. Und ihm werden häufig bestimmte Rollen zugeschrieben. Er gibt uns Nahrung, er beschützt uns, er liefert uns Medizin und und und. Wenn ich es als nicht sehr spiritueller Mensch jetzt auf das Waldbaden beziehe so wird es in den Bereichen spirituell, wo ich mit dem Wald arbeite. Die eigenen Wurzeln, werte und tief verankerte Wünsche, sich diese Themen in der inspirierenden Atmosphäre anzuschauen, hat eine enorme Kraft. Wer sich dem Wald öffnet, wird auch sich selbst gegenüber offener. 


Da kommt das viel belächelte Baumumarmen, bei dem ich Kontakt zu einem Baum aufnehme, ihn spüre, mich an ihn lehne, meine eigene Geschichte in ihm entdecken kann, in den vielen Verästelungen und Narben, in seiner Stärke oder Schwäche, in seinem festen Halt mit dem enormen Wurzelwerk. Wenn ich mich darauf einlasse, so hört er mir vielleicht zu und ich kann ihm von meinen Sorgen erzählen, sie ihm sogar übergeben. oder ich genieße es einfach, mich an ihm anzulehnen und wie vorhin gesagt, einfach in die Welt zu schauen. Und selbstverständlich ist der Wald das Sinnbild dafür wie aus verbrauchtem neues entstehen kann. Der Kreislauf des Lebens ist nirgends so präsent wie im Wald. Und weil das alles so esoterisch klingt, kann es sein, dass das Angebot Waldbaden bei einer VHS, meiner Heimat VHS nicht ankommt mit dem Argument „Esoterisches dürfen wir nicht anbieten“.

Wenn ich Waldbaden versuchen möchte, an wen (außer an Dich) kann ich mich wenden, gibt es hier bestimmte Vereine etc.?

Ich könnte dir jetzt sagen, dass ich, typisch deutsch, Mitglied im Bundesverband Waldbaden bin und auf dessen Seite finden sich zahlreiche Angebote und vor allem Informationen. Aber auch wenn du einfach googelst, wirst du allein hier im RheinMainGebiet viele Angebote finden. Im Taunus gibt es eine bekannte Anbieterin. Und auf der Hessischen Weiterbildungsdatenbank finden sich auch Angebote für Waldbaden. Es ist ja wie gesagt, ein Trend. Übrigens hast du als Anbieter von Kursen erheblich mit Bürokratie zu kämpfen. Schließlich sind wir in Deutschland.

Was möchtest Du unseren Zuhörern mit auf den Weg geben?

Ich möchte sie ermuntern, sich auf den Weg zu machen, den Wald nicht nur für Sport und Ertüchtigung zu nutzen, sondern als Entspannungsort. Einfach mal ohne Ziel ein paar Stunden im Wald verbringen, den Wald auf sich wirken lassen, sich auf den Boden legen oder setzen und wahrnehmen. Etwas was wir leider weitgehend verlernt haben. Es ist einfach nur abwechslungsreich und entspannend. Bei mir hat es noch geholfen, mich wieder einzunorden, ich bin demütiger gegenüber der Natur und der Umwelt geworden. Gläubigere Menschen als ich würden sagen, es ist ein idealer Ort, der Großartigkeit der Schöpfung gewahr zu werden und dafür dankbar zu sein.

Und wer sich jetzt herausredet, weil er in der Stadt wohnt, man kann auch im Stadtpark anfangen. Einfach tun.

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